
… „So zaubert sie die Zeitmaschine, eine 2,5 x 2,5 m große Apparatur aus Holz und Pappmaché und Metallteilen, in die man sich hineinsetzen und via Papierrollen und Tastaturen favorisierte Zeitdestinationen eingeben kann, um sich in gewünschte neue Dimensionen zu transferieren. Hinten ist ein Propeller positioniert, der ermöglicht aus tiefsten Tiefen nach oben zu gelangen oder – sollte man auf einem Dach landen – sanft nach unten schweben zu können.“ …
Kirsten Bauerdorf, M.A. Kunstgeschichte
… „Riesig, geradezu hysterisch war unlängst die globale Aufregung über das erste Bild von einem Schwarzen Loch. Eine Zeitenwende, jubelte nicht nur die Forscher-Elite. Gänzlich unbemerkt geblieben ist hingegen eine andere Entdeckung, die man aktuell in der Aventinstraße in Gärtnerplatz-Nähe bestaunen kann: Dort, in der kleinen Galerie von Gerhard Grabsdorf, ist der weltweit einzige bislang bekannte Wurmlochbohrer ausgestellt. Ein Gerät, mit dem es gelingen soll, Raum und Zeit zu überwinden, ohne dabei spaghettisiert zu werden.
Albert Einstein wäre hingerissen, und Ministerpräsident Markus Söder – um die beiden mal in einem Satz unterzubringen –
könnte die Erfindung in das bayerische Raumfahrtprogramm „Bavaria One“ aufnehmen. Auch wenn der Wurmlochbohrer aussieht wie der simple Knethaken-Aufsatz eines Handrührers. Nur nicht täuschen lassen! Das spiralförmige Objekt sitzt auf der Kühlerhaube der „Zeitmaschine“.
Das Opus Magnum der Künstlerin Charly-Ann Cobdak hat eine derart optische Sogwirkung, dass Passanten vor den großen Galeriefenster immer wieder scharf abbremsen und fasziniert hereinstarren. Was, um alles in der Welt, ist das denn? Über 10 Jahre hat Cobdak an dieser Skulptur herumgetüftelt. Es braucht jedoch kaum mehr als eine Nanosekunde, um von diesen dynamischen Gebilde vollständig eingenommen zu sein. Denn in seiner absurden Mechanik fügen sich Dinge so zwanglos zu einer Anatomie, als hätten sie schon immer zusammengehört: Zahnräder, Reifen, Hupen, Handbohrer, ein antiker Rollstuhl, ein Grammophon, der Kühler eines Mercedes-Oldtimers oder die Flügel eines Deckenventilators rattern und knarren in einer sauber geregelten Beziehung. Quasi H. G. Wells multipliziert mit dem Fluxkompensator aus „Zurück in die Zukunft“ dividiert durch das flugtaugliche Tschitti Tschitti Bäng Bäng.“ …
Cobdaks Maschinen produzieren nicht außer Heiterkeit, sie sind ganz dem zweckfreien Spiel gewidmet. Gerne, sagt die Künstlerin, würde sie mit ihrer Zeitmaschine in die Siebziger-, Achtzigerjahre reisen, um Jean Tinguely, der 1991 starb, kennen zu lernen. Unlängst hat sie eine Anhängerkupplung an die Zeitmaschine geschraubt. „Schließlich kann man ja nie wissen“, sagt Charly-Ann Cobdak. ...“
Jutta Czeguhn, Süddeutsche Zeitung